Mundart mal ganz anders

Meistens trifft man auf Mundart in Stadthallen, Vereinsheimen und sonstigen Heimlichkeiten und freut sich auf lustige Bonmots, bisweilen auf unterhaltsame Geschichten und nachdenkliche Gedichte.

Dass man aber auch in Kirchen auf Mundart trifft, ist eher eine Seltenheit. Dass dies möglich ist, dafür steht im nordbadischen Raum der Mundartautor Wolfgang Müller aus Söllingen.

Im schwarzen Talar vertrat er am Sonntag, dem 24. September, seinen Namensvetter Pfarrer Wolfgang Müller in Obrigheim in der Friedenskirche, um unkonventionell über Mode zu reden, was er ebenso unbeschwert in seinem „pfinzfränkischen“ Dialekt tat.

Mode und Kirche? Ja, denn wer kennt nicht die Geschichte von den Lilien im Felde, deren Beispiel schließlich hinführte zur Mode der Kolosser, an die der Zelt- und Segeltuchmacher Paulus seine Briefe gerichtet hat. So augenscheinlich – dank der Mitarbeit zweier Konfirmandinnen als Models – wie der betuchte Bürger neben dem einfach gewandeten Handwerker für Äußerlichkeiten standen, so unmittelbar wirkte auch die gewohnte Alltagssprache, in der philosophische Gedanken über Werte und Tugenden ausgeführt wurden. Zusammen mit Frau Rosie Müller wurden Allerweltsfragen wie „Was sollin oziehge?“ zu Wegweisern für Lebenslagen. Die Metapher vom Verhalten als Kleid, das man ablegen kann und in eine positive Hülle schlüpfen kann, zog sich durch den Mundartgottesdienst, der bewies: Mundart kann mehr als nur lustig. Mit den biblischen Geschichten beweist Mundart auch, was Luther letztlich mit seiner Bibelübersetzung wollte: dem Volk mit gemeinverständlichen Wendungen philosophische Ideen nahezubringen. Der Mundart eignet schließlich jene alltagsnahe praktische Bildlichkeit, die der Schriftsprache mit ihren Substantivhäufungen abgeht. Auch der kommunikative Aspekt kam nicht zu kurz, denn bisweilen wirkte Müllers Predigt eher wie ein Gespräch mit der Gemeinde. So merkte man, dass es Mundart tatsächlich gelingt, auch schwierige Sachverhalte in das passende Gewand zu packen, um im Bild zu bleiben. Man muss kein Kirchgänger sein, um die meditativen Gedanken in Umgangssprache, im Dialekt goutieren zu können: dem Volk auf’s Maul geschaut ist immer noch ein guter Weg ins Herz der Dinge. (NT)

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