Der Dachverband hat gewählt
Schwätze, redde, babble mit dem Jugendbeirat Johannes Köhler
Die erste Mitgliederversammlung des Dachverbands der Dialekte Baden-Württemberg, bei der auch die Beiratswahl erfolgte, fand am 29. Juni 2024 unter Leitung des Vorsitzenden, Landrat Dr. Martin Kistler, in Waiblingen statt. Nach einer Vorstellung der Kandidaten wurden Jörg Beirer, Jürgen von Bülow, Heiner Bernhard, Dr. Ewald Hall, Dr. Bernd Langner, Friedel Scheer-Nahor und Johannes Köhler gewählt. Sie werden für die nächsten 3 Jahre den Dachverband der Dialekte mit ihrer Erfahrung und ihrem Engagement unterstützen.
Der neu gewählte Beirat wird gemäß Satzung demnächst um sieben Vertreter aus den Bereichen Hochschule, Fachministerium und Medien ergänzt. Zeitgleich zur Versammlung ging übrigens auch die Homepage des Dachverbands an den Start (https://www.dachverband-dialekte.de).
Der 27jährige Johannes Köhler ist nicht nur Jugendvertreter des DDDBW, sondern aktuell auch jüngstes Mitglied bei Unsere Sprachheimat – schwätze, redde, babble – e.V.
Mit „Mehrsprachigkeit“ hat auch sein Studium zu tun: seinen Masterstudiengang „Interkulturelle Bildung, Migration und Mehrsprachigkeit” wird er mit einer Arbeit zum Thema „Lokalpolitische Eliten mit Migrationsgeschichte“ abschließen. Seit 2018 ist er als SWR-Mitarbeiter in unterschiedlichen Redaktionen tätig und außerdem seit diesem Jahr als freier Mitarbeiter bei der Landeszentrale für politische Bildung BW.
Zum Thema Dialekt stand er Rede und Antwort:
V: Lieber Johannes – du bist sportlich, gehst auf Studentenpartys, guckst Fußball, du machst aber auch verrückte Sachen wie Arabisch- oder Jodelkurse, du gehst gerne ins Theater, UND du interessierst dich für Mundart! Du gibst Hoffnung, dass es da draußen noch junge Leute gibt, die Interesse daran haben, „altes“ Kulturgut in die Zukunft zu tragen. Wie passt das alles zusammen bei dir?
J: Zu Anfangs herzlichen Dank für die Blumen. Mir macht Vielfalt einfach großen Spaß und das fängt für mich einfach im Regionalen an. Ich bin in Ettlingen groß geworden und da war Dialekt an der Tagesordnung. Jetzt – in meinem Umfeld von Studium und Arbeit spielt Dialekt leider keine große Rolle mehr, hier sind andere Arten von Vielfalt präsenter – etwa Migranten die zu uns kommen. Doch auch da kann Dialekt vorkommen, wenn es nach mir geht: Ein SWR-Kollege, Khalil Khalil, der vor dem syrischen Bürgerkrieg geflüchtet ist, hat sich beispielsweise in die schwäbische Mundart verguckt. Ein Einzelfall, der aber gerne auch zu einem Regelfall werden darf und wunderbar beweist, was alles zusammengeht.
V: Du bist seit vielen Jahren vereinsaktiv. Gibt es etwas, was du an klassischer Vereinsarbeit bemängelst? Glaubst du, dass Vereine für junge Leute attraktiver werden müssen, um Bestand zu haben?
J: Aus meiner noch einigermaßen jungen Perspektive gesprochen mangelt es mir bei klassischer Vereinsarbeit oft an einer gewissen Lockerheit. Gleichzeitig bin ich mir dessen bewusst, dass Dinge wie eine Vereinssatzung auch ihre Berechtigung haben, um eine Verbindlichkeit zu schaffen, an der es in meiner Generation manchmal etwas mangelt.
Es ist eine Binse, dass ohne eine nächste Generation kein Verein bis in die nächste Generation bestehen kann. Darum müssen unbedingt junge Leute nachkommen. Ich erlebe, dass man in zwei, drei Sätzen schon viele von der Sinnhaftigkeit von Dialekt überzeugen kann. Das kann gelingen, wenn man sich zu Neudeutsch: „target groups“ – also Zielgruppen erschließt, etwa im Bereich Poetry Slam o.ä.
V: Welche Bedeutung hat Mundart für dich persönlich?
J: Ich bin durch meine Eltern und mein Umfeld bedingt mit Dialekt aufgewachsen. Erst ein Schülerstipendium brachte mich mit 16 Jahren überhaupt dem Hochdeutschen näher. Dialekt wende ich vor allem situationsbezogen an. Denn aus meiner Sicht gibt es nichts Besseres, was eine augenblickliche Nähe herstellt, als Dialekt. Darum begreife ich Dialekt definitiv auch als einen Teil meiner Identität und kaum etwas anderes verbindet mich so sehr mit der Region wie der badische Dialekt.
So kam es auch schon vor, dass ich auf Samoa in der Visa-Schlange wartete und hinter mir badischen Dialekt (Murgtäler Zungenschlag) vernahm. Gleich kamen Heimatgefühle auf: Es stellte sich heraus, dass ein deutsch-samoanisches Ehepaar auf (Schwieger-)Elternbesuch den Südpazifikstaat bereiste…
V: Du hast einen in der Mundartszene sehr bekannten Onkel – der Autor und mehrfache Gnitze-Griffel-Preisträger Michael Köhler. Magst du seine Texte? Du darfst ruhig ehrlich sein!
J: Ich mag die Texte, weil sie aus meiner Sicht einen Teil des Dialekt-Spektrums darstellen, der sonst eher unterrepräsentiert ist. Die Texte zeigen mir, dass Dialekt nicht nur das Witzige und Grobschlächtige, sondern auch das Feine und Hintergründige, manchmal auch Melancholische beherrscht.
V: Was hat dich motiviert, dich als Jugendvertreter aufstellen zu lassen?
J: Mir liegt daran, eine neue junge Perspektive mit in die Mundartarbeit einzubringen. Aus meinem Kontext von Heimatverbundenheit und gleichzeitiger Weltoffenheit, glaube ich, der Richtige dafür zu sein.
V: Am Ende der Mitgliederversammlung hast du drei Mundartkünstler kennengelernt – Sabine Essinger, eine schwäbische Powerfrau mit Kabarettprogramm, Christoph Merkel, moderner Mundart-Sänger aus Durlach und Catharina Müller, eine preisgekrönte Mundartautorin in deinem Alter. Welcher Beitrag hat dir am besten gefallen?
J: Alleine aus lokalpatriotischen Gründen halte ich da gerne die Fahne für Christoph Merkel hoch. Der Murgtäler Zungenschlag kommt mir im Alltag selten unter, obwohl ich vom Murgtal nur gut eine zügig gestrampelte Fahrradstunde entfernt wohne.
Christoph hat es mit seiner gesungenen Mundart geschafft, mich in eine andere Welt mitzunehmen.
Veronica