MundArt vor Ort begeisterte 100 Besucher in Bischesse

„Unsere Sprachheimat“ stellte zweistündiges Dialektprogramm für Kopf, Herz und Bauch zusammen

„Vielen Dank für den schönen Abend“. „Es war wunderbar, sehr unterhaltsam“. Zwei Besucher kamen mit diesen Kommentaren spontan auf Mitglieder der „Sprachheimat“ zu, als das Programm unter dem Motto „MundArt vor Ort“ in Bischesse vorbei war. In Neckarbischofsheim (Rhein-Neckar-Kreis) präsentierte „Unsere Sprachheimat“ am 9. März 2024 zwei Stunden üppige Dialektkunst aus Baden und dazu Happen von Informationen über die Mundarten zwischen Schwarzwald und Odenwald.

Treffen am Nabel von Baden

Für Kopf, Herz und Bauch war in unsere Sprooche Südfränkisch, Rheinfränkisch und Alemannisch  alles dabei.  Verpackt in Rockmusik, Szene, Wortspiel oder Gitarrenvirtuosität. Rund 100 Besucher füllten die durch ihre Arena-Form passende, begrünte und schließlich vollbesetzte Aula der Grundschule in Bischesse. Diese Stadt darf als bestens geeignet gelten für solch einen Mundartgipfel mit preisgekrönten Autorinnen und Autoren. Denn sie ist der Nabel von Baden, erklärte Elfi Neubauer-Theis, als sie ihren Heimatort in Wort und Bild vorstellte.

Drei Liedermacher mit dabei

Drei Musiker und Liedermacher sorgten mit je zwei Auftritten für die wichtige Ergänzung der reinen Wortkünstler. Natürlich durfte Kurpfälzer Bernhard Lorenz bei seinem Heimspiel eröffnen, mit sattem Sound der elektrischen Gitarre und „Gradwegs vunn Bischesse“. Charly Weibel aus Reilingen (Rhein-Neckar-Kreis) hat viele gefühlvolle, leise selbstkomponierten  Lieder im Repertoire und sang „Fer eich zwo“, eine liebevolle Erinnerung. Bei seinem populären Song vom „Uffschnitt“ stimmte das Publikum schnell ein und bestellte „e Verdelpund“ mit.

Die Finger flogen über die Seiten der Akustik-Gitarre bei Christoph Merkel aus Forbach im Murgtal. Der Schwarzwälder und vielseitige engagierte Virtuose besang alemannisch die „Spinnehuddel“ und den Apfelbaum. Dialektdichtung liegt in seiner Familie, schon der Vater schrieb Sticklen über die Heimat.

Mit Reiseführerin zu Dialekt-Regionen

Bevor die Mundartregionen Badens durch bekannte Protagonisten und Mitglieder der Sprachheimat zu hören waren, gab Isabell Arnstein jeweils die Reiseführerin für Dialekt-Charakteristika. Anhand von Schaubildern zeigte sie wo vom Hausch oder vom Huus gesprochen wird, ob’s braat oder breet heißt und wie überhaupt das nördliche Baden-Württemberg dialektal einzuordnen ist.

Dann ging es los mit den Mundarttexten live: Ursula und Anton Ottmann aus Diele,  Dielheim in der Kurpfalz, erinnerten in ihrem Dialog „Aufklärung 1953“ an Prüderie der Zeit und Kinderneugier, während Wolfgang und Rosie Müller aus Pfinztal bei Karlsruhe die Jahre um 1960 aufleben ließen.

Präzise Erinnerungen und spielerische Höhen

Mit Hilfe von vielen Gegenständen gab das Paar einen präzis-wehmütigen Rückblick auf eine „Landjugend“, inklusive Propellerflug der Milchkanne bei der einstigen Mutprobe. Natürlich ohne zu verleppern. Den sprachlich deftigen Brigrande, also Karlsruher, verkörperte Bernd Siemers zum Vergnügen des Publikums mit drei Kurztexten. Auch da flog der Dialekt in spielerische Höhen, als er vom Ehrungsabend im Veroi berichtete.

Die Mitwirkenden wurden jeweils von Moderator Thomas Liebscher (Hockenheim) vorgestellt. Er steuerte außerdem kleine eigene Kurzgedichte oder Mundart-Anekdoten aus Baden bei.

Alemannisch rund um die Bletsch

„Hinter der Bletsch“ hieß es alemannisch bei Wendelinus Wurth. So lautet auch der jüngste Gedichtband des einflussreichen Dichters aus Gutach im Kinzigtal mit Herkunft aus Renchenin der Ortenau. „Bletsch“ ist ein Pflanzenblatt, kann aber auch die aus Trotz gezogene Schnute sein. Gemeinsam mit Veronica Kerber aus Ringelbach bei Oberkirch machte Wurth eine amüsante Szene aus der Doppeldeutigkeit. Beide ließen ihre Sprache klingen, die für Kraichgauer gut ins Ohr geht, aber schon mal übersetzt werden muss.

Odenwälder Eigenheiten

Eine ganz eigene Form fand Hans Slama aus Mudau (Neckar-Odenwald-Kreis) für seinen Beitrag. Er schaffte eine geschichtliche Schnellfahrt durch die Geschichte der Odenwälder Leut. Selbstironisch, aber auch selbstbewusst stellte er ihre Eigenheiten oder erlebten Widrigkeiten vor. Heute ist man im badischen Odenwald auf jeden Fall symbadisch, um sich gegen Hessen und Bayern zu positionieren.

Was der gut gelaunte Neckarbischofsheimer Bürgermeister Thomas Seidelmann bei seiner Begrüßung bereits geahnt und angekündigt hatte, wurde tatsächlich wahr: Am Samstagabend von 18 bis 20 Uhr erlebte das Publikum, übrigens bei freiem Eintritt, ein exzellentes Programm der badischen Mundarten. Das gesungene Schlusswort gehörte Bernhard Lorenz aus Neckarbischofsheim. Der Rock’n-Roller mit Mundart erinnerte zu Melodie von „Hit the Road Jack“ an den schweren Fehler einer Köchin beim Servieren der Schnitzel. „Die lässt die Soß weg“.

Es hot wirklich nix gfehlt

Bei „Schwätze, Redde, Babble“ in Bischesse fehlte also gar nix. Bücher, CDs und viele Infoblätter rund um die Mundart waren ausgelegt und auf Spendenbasis standen Getränke und „Belegte“ parat.

Die Rhein-Neckar-Zeitung (RNZ) kam in ihrem ausführlichen würdigenden Artikel zu folgendem Fazit: Ein „unterhaltsamer und informativer Abend“. Die künstlerischen Darbietungen waren „allesamt auf ihre ganz eigene Art charmant, hörenswert“ badisch.   

Die Teilnehmer der Veranstaltung

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